Saisonspiele 2023/24

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Vorbereiteter Überraschungssieg in Oranienburg

Wenn der Wolf in Not ist... 

ohc mtv Die Wünsdorfer Wölfe haben ihr letztes Auswärtsspiel der Saison beim Oranienburger HC II sensationell mit 28:22 und umgehen damit den finalen Showdown um den Klassenerhalt am letzten Spieltag gegen Bad Freienwalde. Das Rudel nutzte dabei einen günstigen Moment und nahm den HVB-Pokalsieger mit einer dominanten Vorstellung aus dem Meisterschaftsrennen. Mehr...

 

von Conrad Hipp

„Hier regiert der MTV“, hallt es aus dem Mittelkreis der Oranienburger MBS-Arena am Sonntagnachmittag. Ein gut gefüllter und lautstarker Gästeblock stimmt im Takt mit ein, lässt die Gesänge auch von der Tribüne durch die Arena tanzen. Ansonsten sieht man einige lange Gesichter, die das gerad Geschehene versuchen zu verstehen. Der OHC II wollte die Saison mit dem Aufstieg aus der Brandenburgliga in die Oberliga Ostsee-Spree krönen und später noch mit dem Sieg im HVB-Pokal veredeln. Doch statt nach sonnigem Strand-Cocktail schmeckte diese Pleite eher nach Spreewasser aus der Hauptstadt.

Die Geschichte der Reihe nach: In der MBS-Arena Oranienburg werden die Uhren zunächst etwas nach hinten gestellt. Das Spiel zwischen dem Oranieburger HC II und den abstiegsbedrohten Wünsdorfer Wölfen beginnt mit einer Viertelstunde Verspätung, da die vorige Partie deutlich länger brauchte als erwartet. Zeit, um nochmal aufmerksam zu lauschen, dass der OHC II in diesem Sommer am Final-Four-Turnier des HVB-Pokals teilnehmen wird und diesen (zuletzt vor der Corona-Pause ausgetragen) zwei Mal in Serie gewinnen konnte. Eine Spielankündigung, die an diesem Tag oftmals wiederholt wird – und offensichtlich auch schon in den Köpfen der Spieler sehr präsent ist. Die Akteure auf der anderen Seite haben etwas anderes in ihren Köpfen – den Klassenerhalt! Nach den Pleiten gegen Wildau und Lübbenau zuletzt rutsche das Rudel am Vortag durch die Siege von Lübbenau gegen Cottbus II und Bad Freienwalde gegen Werder II um zwei Plätze runter, war jetzt auf dem ersten Nicht-Abstiegsplatz. „Wir haben uns in den vergangenen Wochen gewisse Spiele als Eckpunkte gesetzt, bereiteten uns auf diese Spiele vor wie auf eine ganze Saison“, verrät Trainer Ferenc Remes. Heißt: Es ging raus aus der Halle zum Laufen, etwas Fitness und erst danach wird mit dem Ball gearbeitet. Klotzen war angesagt, um am Ende nicht doch unter den Strich zu rutschen. Dazu kam gegen den OHC eine ganz besondere Motivation. „Die Grundlage für das Spiel lag im Hinspiel“, verrät Remes. Das hatte der MTV daheim mit 25:30 verloren. Dabei stieß dem Trainer das Verhalten einiger OHC-Akteure auf. Er erinnerte sich an Stimmen, die sagten: „Die können nichts.“ Aussagen, die er über sein Team so nicht stehen lassen wollte. Remes: „Das saß wie ein Stachel.“ Und der machte das Rudel richtig heiß. Akribisch wurde sich in Video-Analysen aus dem Hinspiel auf jede Stärke der Oranienburger vorbereitet, jede Schwäche ausgelotet. Der Matchplan steht.

Ins Spiel: Der OHC trifft nach nicht einmal einer Minute und stellt auf 1:0. Wenn es nach dem Pokal-Halbfinalisten geht, wird das hier die kleinste Führung des Tages sein. Die Wahrheit wird eine andere sein. Über vier Minuten reift das erste MTV-Tor. Die Wölfe gönnen sich den Moment, die Offensive zu sortieren. In der Abwehr braucht es keine Anlaufzeit. Von Beginn an pressen die Wölfe in der Defensive, sind auf den Füßen sehr schnell unterwegs. Es wird gut verschoben und alles verlangt, wenn man hier zu guten Torchancen kommen will. Und so sieht das dann aus. Klare Würfe kriegt der OHC kaum herausgespielt. Die Suche nach dem Zugriff zum Spiel läuft.

Alle Führungen des OHC im Überblick: 1:0 – 2:1 – 3:2.

Im Angriff versucht sich der MTV zunächst über die Mitte. Dabei reißt das Rudel immer wieder gute Lücken in die Abwehr, kommt so zu Abschlüssen. In den Anfangsminuten fehlt beiden Teams noch etwas Wurfglück, doch die Wölfe sind dran. Der siebte MTV-Angriff ist der erste, der nicht über die Mitte abgeschlossen wird. Julien Halkow trifft in Überzahl zum 3:3. Mit einem Mann weniger auf dem Feld hat der OHC natürlich etwas mehr Zeit, die Wölfe aber nicht. Egor Vikhrov hat seine Finger im Querpass, schaltet blitzschnell um und besorgt per Konter die erste Führung für den MTV (3:4/9.). Der OHC spielt so, wie der MTV es vorbereitet hat. Die Gastgeber üben sich in Geduld, suchen weiter Mittel und Wege für effektive Abschlüsse. Lasse Scharge versucht sich auf Halbrechts in einem Dribbling. Ein Tipp, zweiter Tipp und weg ist der Ball. Wieder hat Vikhrov sich den Gegner ausgeguckt und klaut ihm den Ball quasi aus den Fingern. Nach 14 Minuten spürt der Oberliga-Anwärter, dass die Wölfe ihnen hier einigen Ostsee-Sand ins Getriebe werfen. 4:8 – Auszeit OHC.

Die Auszeit eine willkommene Gelegenheit, um noch einmal auf das Final Four im Pokal hinzuweisen. Weiterhin machen sich die Einheimischen hier recht wenig Sorgen, dass man hier noch Hausaufgaben hat. Auch nach der kurzen Bankbesprechung liefern die Wölfe Antworten auf alle Fragen, die ihnen gestellt werden. In der Offensive kommt der OHC einfach nicht ins Rollen, hängt fest zwischen den Zähnen eines bissigen und extrem engagierten Wolfsrudels.

Die Gastgeber entschließen sich ihrerseits zu Veränderungen in der Abwehr, um zumindest für weniger Gegentore zu sorgen und sich Zeit zu verschaffen, sich vorn zu sortieren. Lukas Seifert, mit fünf Toren bester Werfer, wird in Manndeckung genommen. Die Wölfe bleiben trotzdem über die Mitte aktiv, ziehen Seifert auf die Außenposition und hebeln somit die Manndeckung aus. Immer wieder drückt der MTV die Abwehrreihe nah an den Kreis heran, bekommt so gute Würfe aus dem Rückraum oder gute Anspielstationen an den Kreis, wo entweder Erik Klaus oder ein Einläufer der Wölfe lauern. Beim OHC bleibt die Verunsicherung und eine hohe Fehlerquote. Der Passversuch an den Kreis, aber MTV-Routinier Dirk Becker riecht den Braten, fängt Pass ab. Dann gönnen sich die Wölfe auch mal was, das schnelle Umschalten des OHC und auch das gelingt nicht. Ein Querpass und dann soll der Diagonalball auf die linke Seite kommen. Er landet im Rücken des Mitspielers auf der Wölfe-Bank. Beim nächsten strukturierten Angriff wird die Außenposition freigeräumt, doch bei der Ballannahme steht der Flügelspieler bereits im Kreis. Der Pokal-Halbfinalist strauchelt und kommt nicht ins Spiel.

Beim Stand von 11:15 klingelt die Sirene zur Pause. Während die Wölfe mit breiter Brust und in einem „Wir haben Bock“-Blick in die Kabine gehen, macht sich beim Meisteranwärter etwas Algengeschmack aus der Berliner Spree breit, obwohl es eigentlich der süße Ostsee-Strand-Cocktail sein sollte.

Halbzeitstand: Oranienburger HC II – Wünsdorfer Wölfe 11:15

Jetzt geht’s aber los! Die Tabelle nach dem 20. Spieltag lügt ja schließlich nicht, es muss ja einen Qualitätsunterschied geben. Möglich, aber den muss man eben auch auf die Platte bringen. So beginnt Hälfte zwei mit einem Mix aus Unsicherheit, Willen und Verzweiflung. Nach 40 Sekunden haben beide Teams schon einen Treffer erzielt, danach entsteht für ein paar Minuten eine eigenartige Eigendynamik auf dem Feld. Wild fliegen die Bälle hin und her, das Tempo und die Fehlerquote beidseitig extrem hoch. Als man den Eindruck bekommt, hier sei ja schon viel passiert und jetzt müsste ja langsam auch der Zeitfaktor eine Rolle spielen, sind gerade einmal sechs Minuten rum seit Wiederanpfiff.

Getan hat sich am Spielstand seitdem nicht viel. Aber das wird jetzt. Als Lukas Hartung in der 38. Minute zum 16:20 trifft, steht immer noch der Rückstand aus der Halbzeit. Es wäre ein guter Zeitpunkt für den Favoriten, jetzt eine Schippe draufzulegen und die Partie zu drehen. Die Schippe kommt, aber von den Wölfen. In der Defensive zieht der MTV jetzt die Schlinge zu, beißt sich noch tiefer in die bereits blutende Beute. Ein Faktor dabei: Torhüter Fabian Kaleun. Der MTV-Schlussmann haut allein in Hälfte zwei 12 Paraden aus dem Spiel auf die Platte, lässt damit dem OHC keine Chance, aufzuholen. Die Folge: Nach dem Tor in der 38. Minute dauert es fast 14 Minuten (!) bis zum nächsten Treffer des OHC. Das 17. Tor fällt erst in der 52. Minute. Und was haben die Wölfe in der Zeit gemacht? Der MTV erhöht bis zur 45. Minute auf 16:24 – führt also mit satten acht Treffern, gönnt sich dann aber ebenfalls eine siebenminütige Auszeit vom Torewerfen. 

Als Jakub Pawlicki zum 17:25 trifft, sind keine acht Minuten mehr auf der Uhr. In der Schlussviertelstunde zieht Oranienburg die Abwehr bis zur Mittellinie vor, spielt nun eine Manndeckung, die zu schnellen Ballverlusten beim MTV führen soll. Es ist das letzte Mittel, zu dem der Pokal-Halbfinalist greift. Wirkung hat es nicht. Immer wieder können sich die flinken Wölfe von ihrem Gegenspieler lösen und den langen Pass frei am Kreis entgegennehmen oder mit einem Eins gegen Eins zum Torerfolg kommen. Oranienburg verkürzt noch von acht Toren auf sechs Tore Rückstand. Der Gästeblock stimmt die „Auswärtssieg, Auswärtssieg“-Gesänge an und feiert Richtung Schlusssirene. Bei den Gastgebern hingegen macht sich Frust breit. Nach dem Lukas Hartung vier Minuten vor dem Ende seine dritte Zeitstrafe kassiert und vom Feld muss, schlägt er auf dem Weg Richtung Kabine mehrmals gegen eine Wand, lautstark hörbarer Frust. Wünsdorfs Dirk Becker hingegen, der bereits in der 32. Minute seine dritte Zeitstrafe kassierte, schaut sich mit viel Freude und Genuss die restlichen Sekunden des Spiels an, um dann gemeinsam mit dem Team zu feiern.

Beim 22:28 ertönt die Sirene. Der OHC muss die letzten Hoffnungen, die Saison auf Platz 1 zu beenden, begraben. Die Wünsdorfer feiern den Verbleib in der Liga. Der Stachel aus dem Hinspiel, der so tief saß, förderte bei den Wölfen einen unbändige Motiviation hervor, die an diesem Sieg keine Zweifel ließ. Die Wölfe haben das Spiel von Beginn an kontrolliert und diese Kontrolle nie abgegeben. Auch der Coach ist nach dem Spiel sehr happy. Remes: „Die Vorbereitung auf dieses Spiel war enorm. Wir wollten den Showdown am letzten Spieltag unbedingt verhindern. Sowas kann schnell nach hinten losgehen. Wir haben heute gegen einen Gegner gespielt, der uns unterschätzt hat – und wir haben das perfekt ausgenutzt. Wir haben uns mit Videoanalysen sehr akribisch vorbereitet und hatten heute auf alles, was der Gegner angeboten hat, eine Antwort. Offensiv und defensiv. Die Mannschaft hat den Matchplan heute perfekt umgesetzt und toll dafür gekämpft.“ Dann zieht Remes sein Fazit: „Dieser Sieg war kein Zufall.“ Und das hat man auch über 60 Minuten gut gesehen.

So werden die Wölfe eben nicht durchgereicht, sondern behalten Platz 7 in der Brandenburgliga. Einzige Änderung. Der Vorsprung auf den heißen Platz 10 beträgt nun drei Punkte. Werder II kann also nicht mehr an den Wölfen vorbeiziehen, der MTV wird mindestens Neunter. Dort steht aktuell der SV Jahn Bad Freienwalde, der am 13. Mai zum letzten Saisonspiel ins Wolfsrevier kommt.

Oranienburger HC II – Wünsdorfer Wölfe 22:28 (11:15)

Oranienburger HC II: Böhlke, Rose – Häntschke 4, Rosadzinski 4 (1/1), Pastor 3, Scharge 3, Winkens 3 (1/1), Schulz 2 (0/2), Hupfer 1, Hartung 1, Seefeld 1, Steudtner, Sauer, P. Jaß
Wünsdorfer Wölfe: Kaleun, Barsch, Paeschke, Volz – Seifert 9 (3/4), Halkow 6, Pawlicki 5, Klaus 3, Gröpler 2, Vikhrov 2, Hawaleschka 1, D. Becker, Vogel, Wendland
Schiedsrichter: Karl-Heinz Hirthe/Peter Sydlik

Gelbe Karten: Steudtner, Pastor, Schröder (Bank) – Pawlicki, Klaus
Zeitstrafen: 5:7 (3x Hartung, Steudtner, Häntschke – 3x D. Becker, Vikhrov, Gröpler, Seifert, Klaus)
Rote Karten: Dirk Becker (Wünsdorfer Wölfe/32. wegen dritter Zeitstrafe) – Lukas Hartung (Oranienburger HC II/57. wegen dritter Zeitstrafe)

Wurfquote: 22/47 (46,8%) – 28/52 (53,8%)
Siebenmeter: 2/4 (50%) – 3/4 (75%)

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